29 4000er in 3 Wochen – Abenteuer in Zeitraffer

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3 Wochen – 29x 4000er Gipfel – 292km zu Fuss  – 28’450 Höhenmeter Aufstieg

Die nackten Zahlen, aus ihnen kann man vielleicht ableiten, dass ich im August 2020 regelmässig auf mein Schrittziel kam, auch kann man sich vorstellen, dass es für mich ein eher sportlicher Monat war, aber welche emotionalen Momente ich dabei erlebte und welche Herausforderungen es dabei zu bewältigen gab, dazu möchte ich nun einige Zeilen schreiben.

Ja, es war organisatorisch doch eine Herausforderung 29 mal die 4000er-Marke zu überschreiten in einer solch kurzen Zeit, aber die Vorbereitung begann schon viel früher, und zwar während Corona. 

Man hört hier deutlich, wie erschöpft ich nach den Erlebnissen war, als ich hier meine Traversierung des Breithorngrats  kommentierte.

Die Vorbereitung

Kondition, Bergsteigerisches Können und Akklimatisierung waren die drei Faktoren, die ich als Grundpfeiler für mein Vorhaben definierte. Wobei für mich immer Kondition an erster Stelle stand. Denn zu wenig Kondition bedeutet Erschöpfung, woraus koordinative Schwierigkeiten und Konzentrationsfehler entstehen. Nicht ohne Grund passieren viele Unfälle in den Bergen beim Abstieg oder zu fortgeschrittener Stunde der Tour.

Darum waren ab März Lauftraining, Trailrunning, alpine Bergtouren und Berglauf an der Tagesordnung, mit 500 bis 2300 Höhenmetern, je nach verfügbarer Zeit. Dazu kamen unter der Woche noch vielen Bike-Kilometern dazu, denn gerade so kann man auch das mentale Durchhaltevermögen trainieren und lernen duchzubeißen.

An den Wochenenden kamen dann allmählich alpinere Touren dazu, auch wenn die Saison noch etwas zu früh war. Skihochtouren und Nordwände sollten neben der Grundlagenausdauer auch die Technik schulen und spezifischer auf die 4000er vorbereiten.

Ein Highlight war hier sicher die Matterhornbesteigung, mit viel zu viel Schnee und Eis, aber dafür ohne den üblichen Massenandrang, denn auch die Hörnlihütte war noch geschlossen. Der Lohn war dafür, alleine (nur mit meinem Tourenpartner) auf dem Gipfel zu stehen und so war die Freude unbeschreiblich und das feierten wir auch entsprechend.

Auch der Biancograt will hier erwähnt sein, eine gute Vorbereitungstour in der ich die Reaktion auf die Höhe austesten konnte und das neu erworbene, ultraleichte Biwakmaterial testen konnte. Ebenfalls die schnelle Fortbewegung im ausgesetzten Felsgelände war ein Schwerpunkt der Tour.

Die Planung:

Die erste Woche sollte mir die Möglichkeit geben mich noch besser an die Höhe zu gewöhnen und dafür boten sich die “WS”-Touren im Rahmen der sogenannten “Spaghettitour” an. Dabei handelt es sich um eine Durchquerung des Monterosa Massivs mit einigen 4000ern und Stützpunkten auf Hütten, die allesamt über 3’000m liegen. Da diese erste Woche für mich im Komfort-Bereich liegen sollte, wollte ich im Rahmen einer Führungstour der Sektion zwei Personen die Möglichkeit geben, mit mir den ersten Teil meines Abenteuers in den Westalpen zu erleben.

Das Spezielle an Überschreitungen und Durchquerungen ist oft, dass man auch nach einem Gipfel oft einen anderen Weg absteigen muss und dieser dann nicht schon bekannt ist vom Aufstieg, so kann es mitunter auch dazu kommen, dass man auf einmal in einer Sackgasse steht und die Gründe können hier vielfältig sein. Mentale Belastungsgrenzen, mangelndes Kletterkönnen im Fels oder Steileis, nicht angepasste Ausrüstung oder einfach die mangelnde Kondition, die sollten bei den potenziellen Mitstreitern keine limitierenden Faktoren sein, darum stellte ich recht hohe Anforderungen an die Teilnehmer der Tour, um so auch den Anforderungen der Tour gerecht zu sein und somit den wichtigen Grundstein für ein erfolgreiches und vor allem sicheres Tourenerlebnis zu legen. Im Verlauf der Tour sollte sich noch zeigen warum…

Wie gewohnt plante ich akribisch die einzelnen Etappen der Spaghetti-Tour, und erarbeitete einen „Roadbook“ mit Distanzen, Höhenmetern, Ausweichrouten und Bonus-Gipfeln, um auf alle vorstellbaren Eventualitäten eingestellt zu sein. Ich wollte zumindest, dass die erste Woche entspannt abläuft, denn in den darauf würden zwei Wochen folgen, in denen ich sehr viel situativ entscheiden müsste, wobei Wetter, Routen-Bedingungen und Tourenpartner die Variablen sind und welche mich auch bei der täglichen Planung herausfordern sollten.

Der finale Test:

Für den Feinschliff der Steigeisen- und Pickeltechnik und die Akklimatisierung, plante ich nochmals zwei Tage und zwei Nächte auf gestaffelten Höhen ein, direkt bevor die Tour starten sollte.

Mit diesem Auszug aus meinem Abenteuer, möchte ich vor allem Lust auf mehr machen. Die Sektion in Konstanz investiert viel in ihr Ausbildungs- und Tourenprogramm im Bergsport und gerade das Bergsteigen ist mit den Hochtouren ein toller Schritt um unsere Alpen noch intensiver zu geniessen. Für Kletterer bietet das Programm Ausbildungen im Bereich Mehrseillängentechnik für (Wieder)Einsteiger und auch Fortgeschrittene, aber auch Standplatzbau und Bergrettungstechnik sind Themen die wir euch anbieten.

Da die Tour auch Führungscharakter hatte, spielte ich mit den Teilnehmern auch nochmals die verschiedenen Abläufe im Steileis, bei der Spaltenbergung und bei Felskletterpassagen durch. Hierbei war auch eine intensive Einheit im Blankeis Bestandteil, dabei konnte man schon während der ersten Parcours Durchläufe sehen, wie das Sicherheitsempfinden in dem anspruchsvollen Gelände stieg.

Ab diesem Zeitpunkt begann auch die sogenannte „rollende Tourenplanung“, das ständige Abgleichen, ob die Gegebenheiten die Planung negativ beeinflussen und der anschließenden Anpassung der Planung. Beim Wetter-Check das es am Montagvormittag, unserem geplanten Aufstiegstag, gewittern sollte. Am Dienstagmittag war dann ein Wettersturz prognostiziert, was die Situation nochmal verkomplizierte.

Somit war es möglich, dass am Dienstag die Bahn nicht fährt und wir somit erst am Mittwoch starten könnten, was keinen Zeitpuffer für die Folgetage bedeutet hätte. Eine gute Alternative war es daher direkt am Sonntag zu starten und dann vor Ort zu entscheiden, wie sich die Wetterlage entwickelt und wie es weiter geht.

Wir packten eilig alles zusammen, stornierten die geplante Hüttennacht, organisierten die Übernachtung im Tal und buchten eine zusätzliche Nacht auf der Ayas-Hütte. Trotz des Stresses liesen wir den Abend gemütlich ausklingen, aber gingen zeitig schlafen, damit wir die erste Bahn auf das klein Matterhorn erwischen.

Tag 1 – Unverhofft kommt oft… Nur noch zu zweit

Am nächsten Morgen war es so weit, das Wetter sollte bombastisch werden, lediglich ein Gewitter am späten Nachmittag war prognostiziert. So starteten wir voll motiviert zu unserem ersten Gipfel, dem Breithorn Westgipfel. Doch bereits dort stand fest was sich am Morgen schon angekündigt hatte, einer der Teilnehmer hatte Magenprobleme und Umkehren war hier die bessere Entscheidung, denn der Weg zur Hütte war noch sehr weit.

Die Entscheidung war aufgrund der noch bevorstehenden Strapazen in den nächsten Stunden und vor allem Tagen sicher die Beste, auch wenn sie nicht leicht fiel. Zu dritt gingen wir somit wieder zurück zur Bergstation der Bahn, verabschiedeten uns, bildeten nun eine Zweierseilschaft und gingen weiter denselben Weg wieder mit Ziel Ayas-Hütte. Zum Glück mussten wir das Breithorn nicht nochmals besteigen, sondern konnten es unten auf dem Gletscher zügig umgehen.

Der Zeitplan war nicht mehr eingehalten, das Gewitter sollte am Nachmittag auf uns treffen und die Schneebrücken wurden immer weicher. So entschieden wir, die flachen und abwärts Passagen zu joggen, selbstverständlich unter Einhaltung der Seildisziplin. Jedoch bremsten uns einige größere Spalten immer wieder aus, die teils nur mit einem beherzten Sprung überwunden werden konnten. Wir überholten so mehrere Seilschaften, während wir bereits im Süden, über Italien, sahen wie sich die Wolken verdichteten. Wir waren recht zügig unterwegs und hatten bereits nach zwei Stunden die 11 Gletscherkilometer hinter uns gebracht und kamen mit dem ersten Donnergrollen an der Ayas-Hütte an. So machten sich gleich am ersten Tag die gute Akklimatisierung und die harte Vorbereitung bezahlt.

Tag 2 – Das Zeitfenster vor dem Wettersturz

Mystische Stimmung beim einsamen Aufstieg zum Gipfel des Pollux

Es war klar, dass ein Wettersturz kommen sollte, und zwar gegen Mittag. Somit war das Risiko für die Überschreitung von Castor und Felikhorn zu groß. Hier kam „Plan B“ zum Einsatz, ein sogenannter „Bonusgipfel“, wie ich sie in der Vorbereitung nannte. Geplante Gipfeltouren und Alternativrouten, die wie in einer solchen Situation zum Einsatz kamen. Es sollte der Pollux werden, aus den Berichten und dem Tourenführer freute ich mich sehr auf die Tour, war aber darauf gefaßt, dass wir aufgrund der Verhältnisse evtl. umkehren müssen.

Der Wecker klingelte früh und wir verlißen die Hütte noch vor allen anderen, im Schein der Stirnlampe. Ich musste Spuren, da mit dem Gewitter auch Schnee fiel, allerdings kannte ich den Weg schon vom Vortag, da wir dort schon am Fuß der Aufstiegsroute vorbekamen.

Es herrschte eine mystische Stimmung, während wir die ersten Höhenmeter in dem gefrorenen, leicht schneebedeckten Geröllrücken aufstiegen. An einer Passage gab es zwei Möglichkeiten für den weiteren Aufstieg, wobei ich dann die rechte wählte, da mir die Kraxelei dort lohnender erschien. So kamen wir immer weiter Richtung Schlüsselstelle die über eine grosse Platte nach links führte und von dort in eine breite Scharte von der aus es auf die Schulter mit der bekannten Madonna ging. Die Passage war mit Ketten gesichert, jedoch hatten diese einen dicken Eispanzer vom nächtlichen Niederschlag. Die Kletterei war toll, vor allem wenn man etwas grösser war.

Am Sattel des Pollux bei der Madonna

Kurze Zeit später standen wir bei der Madonna und hatten somit eine Art Vorgipfel erreicht, von dem es weiter über einen geschwungenen Firngrat hinauf zum Gipfel ging. Jedoch hatten wir keinerlei Sicht und so konnte ich nicht sehen, ob der Grat Blankeis (Eis ohne Schneeauflage) für uns bereithielt und dies die Umkehr bedeuten könnte. So verpflegten wir kurz und ich zog die Steigeisen an, um den Grat kurz zu erkunden. In diesem Moment rissen die Wolken auf und wir konnten den kritischen Teil des Grats einsehen und die Bedingungen schienen gut zu sein.

So machten wir uns doch noch auf, zu unserem zweiten Gipfel auf der Tour und genossen es alleine auf dem Gipfel zu stehen, bevor es wieder zurückging. Wir waren dank des frühen Startes sehr gut in der Zeit und stiegen wieder gemütlich zu der Ayas-Hütte ab und warteten dort bis es Mittagessen gab.

Abstieg vom Pollux

Später kam dann auch wie erwartet der Wetterumschwung und innerhalb von Minuten wurde alles weiß um die Hütte. War etwa ein weiterer Plan B vonnöten?

Tag 3 – Schnee, Orkanböen, wie erreichen wir die nächste Hütte?

Der erste Blick am Morgen ging aus dem Fenster und na ja, es war eben Winter oder besser gesagt ein Wintertag an dem man eher drin ist als draußen sein wollte. Neblig, 80 km/h Windböen und einiges an Neuschnee, da kommen Lawinengefahr, Orientierungsprobleme und Absturzgefahr auf dem Grat zusammen, somit stand der Plan fest, wir gehen… Jedoch ging es nicht nach oben, sondern nach unten. Wir stiegen über gefrorene und mit Schnee bedeckte Blockfelder ab, querten Richtung Westen und stiegen dann wieder steil und mühsam über Blockgelände auf. Die 1400 Höhenmeter Aufstieg lassen erahnen, dass es kein Ruhetag war und selbst beim Abstieg brachte uns der Wind beide einmal zu Fall.

Abstieg nach Wettersturz

Jedoch kam irgendwann auch die Sonne zum Vorschein und kündigt den Trend für den Rest der Woche an, nämlich traumhaft sonniges Wetter.

Der Schein trügt, die Sturmböen erschwerten uns das Gehen extrem

Der Aufstieg war weiter oben ein Genuss und durch die kurzen Kraxelpassagen wurde es eine grandiose Etappe mit atemberaubenden Blicken nach Italien. An der Sella-Hütte angekommen, gab es Kaffee, Kuchen und ein Platz auf dem Sofa vor der verglasten Fensterfront mit Blick in diese traumhafte Kulisse.

Tag 4 – Spurarbeit, Steileis und einsames Gipfelglück

Wie gewohnt verließen wir als erste die Hütte und durften so auch die Spur zum Naso de Lyskamm selbst festlegen. Das Problem war hierbei nur, dass es nicht nur Neuschnee war, sondern auch jede Menge verblasener Schnee, der sich doch zu einer anstrengenden Menge aufgehäuft hatte. Da ich noch nie auf diesem Gebiet zuvor unterwegs war, musste ich mich auf meine Karte und meinen  Spürsinn für die korrekte Routenwahl verlassen, wobei ich unsere Route mit einem groben GPS-Track abglich, jedoch verlief dieser etwas zu weit in den Spaltenzonen auf der Karte.

Die spannendste Stelle war für mich ein Loch, das links vor mir lag, dies zeigte mir, dass sich vor uns eine Spalte befand und auch der Schnee war ganz leicht eingefallen (Anzeichen für eine Spalte darunter) jedoch war diese Stelle sehr gross. Ich entschied mich für eine Fixpunktsicherung, da ich schätzte, dass die Spalte rund 3 m breit war und ich nicht abschätzen konnte wie bzw. ob eine massive Schneebrücke darüber steht. Zeitsprung: Zwei Wochen später war ich nochmals an dieser Stelle und die Spalte war sichtbar und die 4 m Meter breite Spalte war zudem noch 20 Meter lang. Dies war auch die Erklärung, warum ich auch keine Umgehung für die Spalte finden konnte.

“Gestaffeltes Kraxeln” vor der 100m Eisflanke des Il Naso

Dies war das letzte Hindernis, bevor wir am Einstieg zum Felsgrat ankamen. Dort musste man eine Eispassage queren, um danach auf dem Felsgrat zum steilen, 100 m langen Firnhang zu gelangen.

Von dort ging es über geniale Kletterei hinauf zur steilen Firnpassage. Dies war eine der Schlüsselstellen im Firn, auf die wir trainiert hatten und so war auch diese Passage nicht nur für mich ein Genuss zu klettern.

Danach flachte es ab und wir erreichten den Gipfel mit traumhafter Aussicht auf die Arena.

Die Königsetappe für den nächsten Tag 5 4000er

Tag 5-7 – Corno Nero, Ludwigshöhe, Parrotspitze, Zumsteinspitze, Signalkuppe: Die Königsetappe bescherte uns gleich 5 Gipfel. Es startete mit einer Blankeis-Seillänge auf den Corno Nero im Sonnenaufgang, worauf die Ludwigshöhe und der traumhafte Anstieg auf dem schmalen, ausgesetzten Grat der Parrotspitze folgte.

Firnflanke des Corno Nero – wie immer alleine unterwegs

Bisher waren wir die ganzen Tage so gut wie alleine unterwegs, aber nun an der Zumsteinspitze war reger Betrieb. Mittlerweile hatte ich schon einige „Spezialisten“ gesehen, die sich einfach ein Seil um die Hüfte gebunden hatten und dann in einer Seilschaft auf einem absturzgefährdeten Grat balancierten.

Gipfel der Zumsteinspitze

Dieses und einige andere Erlebnisse zeigten mir, welchen hohen Ausbildungsstand wir bei uns durch den Alpenverein eigentlich etablieren konnten. Dieses Privileg haben nicht alle Nationen.

Beginn der Firnschneide auf die Parrotspitze, einer meiner

Nach der Signalkuppe hatten wir alle möglichen Gipfel bestiegen und teilten uns den langen Abstieg auf zwei Tage auf, bis wir wieder zurück in der Zivilisation waren und feierten das gebührend in Zermatt.

Der letzte Blick zurück, bevor wir wieder die Zivilisation erreichen
Das Matterhorn empfängt uns in all seiner Pracht

Getrübt wurde meine Stimmung durch eine kurzfristige Absage meines Tourenpartners, mit dem ich die nächsten 7 Tage durchgeplant hatte… Das Projekt fing ja gut an…

Tag 8-21:

Ich fand zum Glück jemanden, der spontan am nächsten Tag Zeit hatte und so ging es mit ihm auf den Piz Palü via Ostpfeiler, zwar kein 4000er, jedoch eine tolle Tour mit viel Blankeis am Firngrat. Auch wenn aus der Gemeinschaftstour eine Führungstour wurde, aber dass die Kompetenzen der Tourenpartner nicht ganz den gemachten Angaben entsprechen, war ich gewohnt.

Gestaffeltes Klettern am langen Kraxelgrat des Palü Ostpfeilers
Die Firnflanke des Ostpfeilers am Piz Palü
Abstieg von Piz Palü

Die Suche nach motivierten Tourenpartnern lief parallel weiter und so wurde ich auch fündig, musste aber wieder zurück nach Zermatt. Dort stiegen wir am nächsten Tag auf, biwakierten und bestiegen am Folgetag das Zinalrothorn. Eine tolle Tour und wir standen als erste und allein auf dem Gipfel, was unbeschreiblich war. Die Nacht davor im Biwak hatte uns also nicht geschadet, auch wenn sie kurz war.

Mit dem Sonnenaufgang auf das Zinalrothorn kraxeln

Uns hatte die komplette Überschreitung des Nadelgrats in ihren Bann gezogen, so war dies die nächste Tour mit mehreren 4000er Gipfeln. Start war ein (Regen)Biwak oberhalb der Bordierhütte und Ziel die Mischabelhütte.

Am legendären Nadelgrat während unserer kompletten Nadelgratüberschreitung

Wir waren sehr sicher und darum seilfrei und auch schnell unterwegs und somit schon wieder früh im Tal.
Ich merkte mittlerweile dass ich die Höhe und die Belastungen ganz gut vertrug, so beschloss ich am Abend noch nach Grindelwald zu fahren, um am nächste Tag den Mönch zu besteigen. Ein 4000er, bei dem man den Gletscher auf einem Pistenraupen-präparierten Weg überquerten kann und so die Möglichkeit diesen alleine zu besteigen. Auch hier stand ich wieder komplett alleine auf dem Gipfel, wo war der überall beschriebene Massenandrang? Beim Abstieg half ich noch zwei überforderten Briten die ich an der Schlüßelstelle antraf und gab einen kleinen Exkurs in Seil und Sicherungstechnik im alpinen, bevor ich wieder zurückrannt.

Unser Biwak am Gran Paradiso kurz vor dem Regen am

Diesen hatten wir jedoch am nächsten Tag am Gran Paradiso, aber nur beim Abstieg, dort zählte ich 106 Leute die uns entgegenkamen. Wir hatten wieder ein Biwak am Gletscher aufgeschlagen (wie immer mit Regen), waren dafür komplett alleine am Gipfel, unbeschreiblich.

Welche ein Komfort an der Randklufft

Da ich gut im Rhythmus war, hatte ich die Lyskamm-Überschreitung am nächsten Tag vor, also wieder zur Sella-Hütte aufsteigen und am Morgen ging es mit sehr starkem Wind los, der jedoch abflaute und so konnte ich diese nahezu endlose Firnschneide der früher „Menschenfresser“ genannt wurde endlich auch von oben bewundern.

Am Folgetag hatte ich die Castor-Überschreitung samt der Breithorntraverse vor, jedoch berichtete mir der Tourenpartner am Morgen plötzlich gleich von mehreren Gesundheitlichen Problemen und so machten wir nur Castor und Felikhorn, wofür die Gesundheit interessanter Weise vorhanden war… So ist das mit den unbekannten Tourenpartnern eben…

Beim Abstieg trennte ich mich von dem “Schwerkranken”, da der Tag noch lang war und ich fand spontan einen neuen Tourenpartner mit dem ich am selben Tag noch auf die Rothornhütte aufstieg und am nächsten Tag das Obergabelhorn über die Wellenkuppe erklimmen konnte. Am Gipfel traf ich, wie es der Zufall will, Arne, einen Bekannten, der gerade eine letzte Übungstour für seine Bergführerprüfung an dem darauffolgenden Wochenende machte. Eine sehr nette Begegnung auf über 4000m.

Aufstieg zur Wellenkuppe auf dem Weg zum Obergabelhorn
Das Obergabelhorn im Visier
Blick in die Obergabelhorn Nordwand, der Traum eines jeden Nordwand-Fans

Nun gingen mir wirklich die Tourenpartner aus, so nahm ich mir für den nächsten Tag einen 4000er vor der über einen Umweg auch ohne Gletscherrisiko im Alleingang möglich war, das Rimpfischhorn. Da ein Gewitter kommen sollte, startete ich früh auf die Tour mit 24km und 2100 Höhenmeter und war nach 6:30h wieder zurück und ich war wieder komplett alleine am Gipfel und auf der Tour. Ein Mentaltest der positiv verlief und eine Idee ging in die finale Planungsphase.

Das Grande Finale war für mich die Breithorntraverse von Ost nach West, eine der schönsten Grat-Touren im Alpenraum. Ich wollte diese Tour im Stil einer Speedbegehung machen und setzte mir hierfür eine Zielzeit von 3:30h für die Traverse mit Start und Ziel an der Bergstation „Klein Matterhorn“ (gem. Tourenführer: 7-8 Stunden). Für die anfängliche Gletscherpassage, schloss ich mich einer Zweierseilschaft an, bis die kritische Passage überwunden war, dann ging es zum Fuss der Firnflanke, die den Einstieg zum Roccia Nera/Schwarzfluh bildete. Diese war unangenehm blank, aber mit einem Steileisgerät und einem Leichtpickel bewaffnet, war ich schon bald am Gipfel und der Kletterspass ging los.

Am Roccia Nera, der Spass beginnt

Was dann kam war Genuss pur, klettern in festem ausgesetzten Fels bei traumhaftem Wetter und unglaublicher Aussicht.

Die Schlüsselstell bei der Breithornüberschreitung war recht luftig

Die Höhe spürte ich mittlerweile überhaupt nicht mehr und in meiner Euphorie rannte ich zwischen den Kletterpassagen und genoss meinen „Flow“, bis schon bald der letzte Gipfel erreicht war. Genau dort wo vor 21 Tagen alles begann, endete es nun auch (fast) wieder, ich war am westlichen Breithorngipfel doch dazwischen lagen nun 29 4000er Gipfel, 292km zu Fuss, 28’450 Höhenmeter Aufstieg und unzählige emotionale Momenten in einer traumhaften Welt aus Eis und Fels.

21 Tage, 29 verschiedene 4000er, ich war überglücklich am Ende der Tour

Nach 2:40h kam ich schliesslich wieder an der Bergstation „Klein Matterhorn“ an und genoss diesen speziellen Moment, der Moment an dem man zurück denkt an die Vorbereitung, das Training bei Wind und Wetter und vor allem die vielen schönen Momente in den letzten 21 Tagen. 

Nachtrag 2021:

Im Folgejahr dieser Tour unternahm ich noch einige Erstbegehungen im Firn und Mixed-Gelände und fühlte mich körperlich und mental sehr fit.

Mir und meinen Tourenpartnern ist dankenswerter Weiße nie etwas passiert, sicher auch weil ich immer sehr konservativ und professionell unterwegs war, aber letztendlich hatte ich auch nie Pech.

In meinem Umfeld hingegen passierte doch einiges. Unter anderem verlor einen sehr guten Freund und meinen Eiskletterpartner bei einem tragischen Unfall in Patagonien, was mich doch stark prägte. Ebenfalls verlor jemand in ei er Lawine sein Leben bei einer Tour, die ich aufgrund der Lawinensituation ablehnte und vieles mehr.

Und wenn man mehr als sein halbes Leben Wettkampfsportler war und dabei immer an die Grenzen ging, stellte man sich irgendwann die Frage wo die Grenze beim Alpinismus ist und ich denke die Grenze ist letztendlich ein Unfall oder ein Burn-Out weil es immer höher, weiter, schneller, oder gefährlicher geht.

Aus diesem Grund beschloß ich meine “Aloinistenpension” anzutreten und mehr Zeit mit weniger Risiko in den Bergen zu verbringen, denn die Berge noch viele Jahre gesund zu erleben, lohnt sich… versprochen.

Christian Häuser